Am 19. Juni 2020 fand unter dem Motto „Erinnern für die Gegenwart – online!“ und in Zusammenarbeit mit dem Generalkonsulat in Istanbul die Abschlussveranstaltung der beiden türkischen Projekte statt.
Ein Beitrag von Lina Render, Projektleiterin im Projekt „Diskriminierung in die Augen schauen!“ am IELEV Gymnasium, und Michael Schopp, ehemaliger Schulleiter am IELEV Gymnasium.
Die Schülerinnen und Schüler der Ernst-Reuter-Schule Ankara und des IELEV Gymnasiums in Istanbul nutzten die während der Corona-bedingten Schließung der Schulen neu gewonnene technische Flexibilität, um sich gegenseitig und einer interessierten Öffentlichkeit ihre Ergebnisse zu präsentieren.
Neben Schülerinnen und Schülern, Lehrkräften und Schulleitungsmitgliedern der deutschen Auslandsschulen (ERS, DSI, ALKEV, IEL, IELEV), gab es noch zahlreiche weitere Gäste: Stefan Graf, der stellvertretende Leiter des Generalkonsulats, Heike Toledo, Leiterin der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA), Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ZfA aus Berlin und Bonn sowie Vertreterinnen und Vertreter zahlreicher NGOs.
Der stellv. Generalkonsul Stefan Graf und die Leiterin der ZfA Heike Toledo betonten in ihrer Begrüßung das besondere Engagement der Schülerinnen und Schüler und die leider gerade in der Gegenwart wieder schmerzhaft erfahrbare Aktualität von Diskriminierung und Verfolgung aus rassistischem Wahn, aus politischen, religiösen oder ethnischen „Gründen“. Heike Toledo unterstrich die besondere Aufgabe, der sich gerade das deutsche Auslandsschulwesen verpflichtet weiß, jeglicher Diskriminierung zu wehren.
Die Ernst-Reuter-Schule hatte sich mit dem Schicksal ihres Namensgebers, des späteren Berliner Bürgermeisters, und weiterer Wissenschaftler und Künstler, die 1933 vor den Nazis in die Türkei fliehen mussten und dort auf Einladung Atatürks am Aufbau eines modernen Hochschulwesens mitarbeiteten, beschäftigt. Die Jungen und Mädchen des IELEV Gymnasiums – einer mit 6 Jahren erst sehr jungen Schule – hatten sich dem Thema Diskriminierung in die Augen schauen! gestellt und dabei Themen wie Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, Nationalismus im Alltag aufgegriffen und für eine Veröffentlichung auf ihrem Blog aufbereitet.
Die Zahl von über 100 Teilnehmenden an der Online-Veranstaltung verdeutlichte das große Interesse am Thema und die Bedeutung der Zusammenarbeit. Nachdrücklich wurde gezeigt, was mit den neuen technischen Möglichkeiten trotz der Pandemie an Begegnung und Austausch machbar ist. Durch einen kleinen Trick konnten sogar die Zertifikate an alle teilnehmenden Schülerinnen und Schüler über den Bildschirm überreicht werden.
Der DS Ankara und dem IELEV Gymnasium ist gemeinsam, dass sie beide auf das GIB (Gemischtsprachige Internationale Baccalaureat) vorbereiten. Beispielhaft haben die Jungen und Mädchen, allesamt aus den GIB Jahrgangsstufen 11 und 12, unter Beweis gestellt, was es heißt wissenschaftlich zu forschen und kritisch zu denken, offen zu sein für die Werte und Traditionen der eigenen Kultur wie die der anderen – und auch Risiken zu wagen!
Im Anschluss an die feierliche Eröffnung konnten alle Teilnehmenden aus sechs unterschiedlichen Workshops wählen und bekamen dort einen Einblick in die Arbeitsweisen und Inhalte der zwei Projekte. Hierbei wurden unterschiedliche Interessensgebiete abgedeckt, so konnte man digitale Workshops zur Geschichte deutschsprachiger Exilanten in Ankara, zu Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, Nationalismus besuchen oder auch an einer Filmvorführung teilnehmen.
Wer jetzt neugierig geworden ist und sich u.a. für historische Hintergründe von Diskriminierung interessiert, kann sich die Ergebnisse des Projekts der IELEV-Gruppe auf der projekteigenen Webseite anschauen: https://karsilasma.art.blog/. (Die Beiträge dort sind in deutscher und türkischer Sprache lesbar.)
Die Schülergruppen und die betreuenden Lehrkräfte freuen sich über jeden Besuch, vor allem über Interesse an Weiter- und Mitarbeit.
Lasst uns zusammen Diskriminierung in die Augen schauen!
Das Projekt wird gefördert im Rahmen des Wettbewerbs „Erinnern für die Gegenwart“. Deutsche Auslandsschulen und Deutsch-Profil-Schulen setzen sich mit ihrer Schulgeschichte und dem historischen Umfeld der Schule auseinander. Wie hat man sich verhalten gegenüber Kolonialismus, Nationalsozialismus, Diktatur oder Menschenfeindlichkeit? Ziel ist, Erinnerungskultur, Toleranz und Demokratieverständnis zu stärken und auch auf heutige Formen der Diskriminierung aufmerksam zu machen. Schülerinnen und Schüler sind an der Projektentwicklung zentral beteiligt.
„Erinnern für die Gegenwart“ ist eine Initiative von Bundesaußenminister Heiko Maas und wird umgesetzt von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung und der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ).
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